Die Reflektionen der Satelliten vertreiben die Nacht

Photo by Forest Katsch on Unsplash - Starlink Satelliten

 

Von Barock zum Jugendstil, vom Jugendstil zur klassischen Moderne. Es ist normal, dass die Städte im Laufe der Zeit umgestaltet werden. Doch was passiert, wenn unser Nachthimmel sich optisch verändert? Wenn keine Sterne, sondern tausende Satelliten zu sehen sind?

Visionäre und ihre Satelliten

Fast 2.800 Satelliten befinden sich bereits im Weltall und die Zahl steigt. Die Menschen nutzen sie in den unterschiedlichsten Bereichen und Situationen. Navigationssysteme, Wettervorhersagen, Rundfunk und Telekommunikation, sind die häufigsten. Wissenschaftler:innen benötigen die Raumflugkörper, um vom Orbit aus das Weltall zu beobachten und zu erforschen. Es gibt mittlerweile dutzende private Unternehmen, die Satelliten herstellen und in die Erdatmosphäre befördern wollen. Das umstrittenste Raumfahrtunternehmen ist SpaceX von Elon Musk, und selbst der Onlineversandhändler Amazon steigt in das Satelliten-Geschäft ein. Mit 3.236 Stück möchte sich Amazon Gründer Jeff Bezos seinen Marktanteil im All sichern. Elon Musk dagegen plant, mit 42.000 Satelliten unseren Nachthimmel vollständig zu verändern. Von Musk befinden sich bereits mehr als 700 Satelliten im All. Aufgrund nur einer kleinen Anzahl von rechtlichen Regelungen ist es den Unternehmen möglich,  den Weltraum als weiteren Markt zu nutzen. Allerdings besitzt jedes Land seine eigene Behörde, die sich um die Verteilung und Registrierung von Satelliten kümmert. Im Fall der beiden amerikanischen Visionäre ist die Federal Communication Comission (FCC) zuständig. Dort müssen sich Unternehmen Lizenzen besorgen, bevor sie die Satelliten in das All schicken dürfen. Der Erwerb einer gesamten Umlaufbahn ist rechtlich nicht möglich, allerdings in der Praxis umsetzbar. Besorgt ein Unternehmen, wie SpaceX, genügend Lizenzen für eine Umlaufbahn, so können keine weiteren Lizenzen an andere Unternehmen vergeben werden – es herrscht Platzmangel auf der Umlaufbahn.

Telekommunikation als Heilmittel gegen Chancenungleichheit

Die Satelliten von SpaceX, auch Starlink genannt, sind aufgrund ihrer Bedeutung für unser Leben so bekannt. Sie bewirken enorme Veränderungen an unserem Nachthimmel und sorgen für eine verbesserte Kommunikation auf der Erde. Elon Musk möchte Telekommunikation und Internet auf der gesamten Welt schaffen. Eine Idee, die vieles ermöglichen könnte. Schon länger sieht man eine Teillösung für die Beendigung der Chancenungleichheit darin, allen Menschen den Zugang zum Internet zu ermöglichen. Menschen aus Entwicklungsländern hätten die Aussicht auf eine bessere Bildung und würden einfacher an Informationen gelangen. Medizinische Hilfestellungen, vor allem die Aufklärung über Krankheiten und Infektionsrisiken,  könnte leichter durchgeführt werden. In der Flüchtlingskrise wurde deutlich, wie wichtig weltweite Verbindungen sind. Geflüchtete können mit ihren Angehörigen über das Handy kommunizieren und kommen dank Navigationssystemen schneller an ihr Ziel, ohne Satelliten wäre das nicht möglich gewesen. Vernetzung ist wichtig, doch welchen Preis müssen andere dafür zahlen?

Astronom:innen und ihre Rolle in der Gesellschaft

„Starlink kam ziemlich überraschend für die Astronomie“, erzählt Janine Fohlmeister, Astrophysikerin und Pressereferentin der Astronomischen Gesellschaft. Die enorme Helligkeit der von SpaceX stammenden Starlink-Satelliten konnte niemand vorhersehen. Ständig fliegen Satelliten den Astronom:innen ins Bild und behindern dadurch die Arbeit und Forschung der Wissenschaftler:innen. Da die Satelliten das Sonnenlicht reflektieren, verursachen sie weiße Linien auf den Bildern. Ein Missstand,  den Elon Musk ändern möchte und weswegen er sich regelmäßig mit den Astronom:innen auseinander setzt. Eine Seltenheit, denn andere Unternehmen kommunizieren nicht mit betroffenen Wissenschaftler:innen. Musks Motivation, Astronom:innen nicht bei ihrer Arbeit zu stören, wird gespeist aus seinem privaten Interesse an der Weltraumforschung. Die Digitalisierung und Medialisierung wird durch bessere Telekommunikation voranschreiten. Die Forschungen im Weltraum sollen laut Musk aber nicht darunter leiden. Schwarze Satelliten könnten eine Lösung sein, wäre da nicht die Sonne. Schwarze Farbe absorbiert die Sonnenstrahlen. Die Energie, die von den Sonnenstrahlen auf die schwarze Fläche trifft, wird in Wärme umgewandelt. Da Schwarz fast nichts reflektiert, ist es der ideale Speicherort für Wärme. Schwarze Satelliten würden durch den hohen Wärmespeicher erhitzen und zerstört werden. Schritt für Schritt müssen die Ingenieur:innen von Starlink testen, wie stark ein Satellit verdunkelt werden kann, ohne Schäden davon zu tragen. Ein Prozess, der zeit- und kostenintensiv ist. „Weiterhin wird versucht, die Satelliten in einen anderen Winkel zur Sonne zu stellen, damit, wenn sie Licht reflektieren, es nicht direkt auf die Erde zurückfällt“, so Fohlmeister.

Dass die Forschung der Astronomen ungehindert weitergehen kann, ist für die Gesellschaft wichtig. Durch die Grundlagenforschung werden Erkenntnisse über andere Sterne und ihre Planeten gewonnen. „Durch die Beobachtung der Sterne und ihrer Planeten lernen wir, wie sich unsere Planeten und unsere Sonne entwickeln“, erklärt Fohlmeister. „Es stellt sich zum Beispiel die Frage, ob, wenn unser Planet nicht mehr existiert, die Menschheit irgendwann zu einem anderen Planeten gehen könnte. Dank der astronomischen Forschung wissen wir, welche Planeten eine zu heiße Sonne haben oder welche Sonnen nicht lange genug existieren und irgendwann explodieren bevor sich Leben auf ihren Planeten entwickeln kann“. Ein weiterer wichtiger Forschungsaspekt ist das Finden von Lebensformen auf anderen Sternen. Durch die Starlink-Satelliten werden astronomische Beobachtungen stark beeinträchtigt. Die Europäische Südsternwarte (ESO) ist dabei, in Chile das größte auf der Erde befindliche Teleskop zu bauen. Durch dieses Teleskop (ELT) soll es möglich sein, noch  tiefer in die Weiten des Weltalls vorzudringen, andere Planeten besser zu beobachten und mögliches Leben zu entdecken. Ab 2024 soll das Teleskop ELT fertig sein und in Betrieb genommen werden. Bis dahin werden sich aber weitere tausende Satelliten im Orbit befinden und seine Beobachtungen und die anderer Teleskope grundlegend beeinflussen. Können die Möglichkeiten, die moderne Teleskope wie das ELT bieten, nicht vollständig genutzt werden, wird die Erweiterung für das Verständnis des Universums eingeschränkt. Um eine Koexistenz der verschiedenen Parteien zu ermöglichen, müssten  entsprechende Regelungen geschaffen werden.  So nutzen beispielsweise Radioastronomie und Hörfunk dieselben Radiowellen. Durch bestehende Beschlüsse wird keiner der Arbeiten aktiv gestört.

Weltraumschrott im All ist das neue Plastik im Meer

Wo der Mensch hingeht, hinterlässt er Müll. Auch das Weltall ist vor dem Müll-Meister nicht geschützt. Durch die große Zahl an Satelliten entstehen neue Risiken und noch mehr Weltraumschrott. Satelliten sind von der Erde aus steuerbar, sie müssen ihre Position immer wieder anpassen. Gibt es aber technische Probleme, wie einen Systemausfall, wird der betroffene Satellit unkontrollierbar. Bei einer Kollision werden die Satelliten in hunderte Einzelteile zerfetzt. Vor allem die größeren Teile sind gefährlich, da sie auf weitere Satelliten treffen und diese ebenfalls zerstören  können – eine Kettenreaktion. Elon Musk möchte Weltraumschrott vermeiden, indem er die Satelliten kontrolliert zur Erde stürzen und verglühen lassen will, sobald sie nicht mehr verwendet werden. Aber vor technischen Ausfällen sind auch seine Raumflugkörper nicht gefeit. Im September 2019 wäre ein Starlink Satellit fast mit einem Satelliten der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) zusammengestoßen. Der Starlink-Satellit befand sich ungewollt in der falschen Umlaufbahn, doch SpaceX weigerte sich, seinen Satelliten umzupositionieren, so dass die ESA ausweichen musste. Raumfahrten werden ebenso unter dem Weltraumschrott leiden, da die unkontrollierten Schrottteile auch Astronaut:innen gefährden können. Es gibt Grund zur Sorge, dass das sogenannte Kessler-Syndrom Wirklichkeit wird. Das Kessler-Syndrom beschreibt die Risiken von Kollisionen und welche Auswirkungen Weltraumschrott auf die weitere Arbeit von Forscher:innen haben könnte. „Es gibt Organisationen, die versuchen, die Einzelteile zu beobachten“, erklärt die Astrophysikerin Fohlmeister, „aber für die Entsorgung von Weltraumschrott gibt es allgemein keine Lösung“. Der Weltraum ist Teil der Natur und muss erhalten und geschützt werden. Durch die Verfrachtung von tausenden Satelliten in den Orbit wird sich unser naturgegebener Nachthimmel für immer verändern. Unser Blick hat sich bereits durch den Bau vieler Städte gewandelt. Die Lichtverschmutzung, die von den Städten ausgeht, versperrt die Sicht auf viele Sterne und auf die Milchstraße. „Das ist Natur, die verloren geht und die man nicht mehr wahrnimmt“ stellt Janine Fohlmeister fest, „Wenn alle Starts von Satelliten, die geplant sind, stattfinden, dann gibt es bald mehr Satelliten am Himmel, als Sterne. Jeder Mensch sollte den Sternenhimmel sehen dürfen“. Außerdem gibt es Lebewesen, die sich mit Hilfe der Sterne orientieren. Welche Auswirkungen der umgestaltete Sternenhimmel auf sie haben wird, ist noch unklar. Durch Chips-Implantate werden bereits verschiedene Tierarten beobachtet. Diese Methode ist geeignet, um das Artensterben besser erforschen zu können. Die Chips messen Temperatur, Luftdruck und die Gesundheit der Tiere und senden die Daten an die Internationale Raumstation ISS. Sollte der veränderte Nachthimmel einen Einfluss auf die Tiere haben, wird das durch veränderte Messergebnisse auffallen.

„Es wird immer getestet werden – das ist der Forscherdrang.“

Unser Nachthimmel wird verschwinden, während das Internet und die Telekommunikation neue Möglichkeiten für den Menschen bieten wird. Die Menschheit entwickelt sich weiter und  die Technik macht rasante Sprünge. „Wir alle nutzen Satelliten zur Navigation, wenn wir irgendwo hinfahren, fernsehen, für unser Handy“, stellt Fohlmeister klar. Die Satelliten sind ein Teil unserer innovativen Gesellschaft und werden immer nützlicher. Doch trotzdem sind sie eine Gefahr für viele Lebewesen und die Astronomie. Für die Astrophysikerin Janine Fohlmeister ist die Bewusstseinsbildung eine Maßnahme,  um etwas zu verbessern. Es muss darüber aufgeklärt werden, welche Auswirkungen die Satelliten haben können und welche möglichen Lösungen funktionieren könnte. Die große Anzahl der Satelliten von Elon Musk‘ Unternehmen stellen für die Astronomie ein Problem dar. Dennoch zeichnet sich sein Unternehmen durch Gesprächsbereitschaft aus. Bei regelmäßigen Meetings von Wissenschaftler:innen mit Vertreter:innen seines Unternehmen, könnten gemeinsame Strategien entwickelt werden. Musks Erkenntnisse können anderen Telekommunikationsunternehmen ein Vorbild sein. Aber auch gesetzliche Regelungen wären ein wichtiger Schritt, um den Kampf um einen Platz im Weltall einzudämmen. 

 

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