True Crime - Teil 2: Ein komplexer Hype

Kriminalpsychologin Lydia Benecke - Foto by Alexander Spanke

True Crime ist ein Genre, das sich mit wahren Verbrechen und deren Hintergründen beschäftigt. Dieses Genre findet nicht allein in den Printmedien statt, sondern ist auch in den audio-visuellen Medien stark vertreten. Größere Publikationsorgane investieren viel in ihre True-Crime-Angebote, denn das Publikum wächst stetig. Dabei entsteht das Gefühl, dass ein Bewusstsein bei den Konsumenten, wie auch bei den Schaffenden, teilweise fehlt - denn hinter jedem Fall stecken echte Menschen, mit echten Emotionen. 

Dieser Artikel wurde in zwei Teile aufgeteilt. 

In der ersten Hälfte kam ein Opfer zu Wort und sprach über ihre Meinung zu True Crime und welche Erfahrungen sie mit den Medien gemacht hat. Die Betroffene und ihr Schicksal blieben dabei anonym. Im zweiten Teil spricht die bekannte Kriminalpsychologin Lydia Benecke über ihre Ansichten zu True Crime. Sie arbeitet mit Tätern, schreibt Bücher und hält Vorträge. Daher bekommt Benecke beide Seiten des True-Crime-Hypes mit und kann Informationen darüber geben, wie sich Täter durch die Berichterstattung fühlen und welche Rolle sie im True-Crime-Hype spielt. 

Teil 2

Kriminalpsychologin Lydia Benecke im Interview: "Die Lebensgeschichten von Täter*innen, mit denen ich arbeite, präsentiere ich nicht in einem öffentlichen Rahmen." 

Frau Benecke, was ist ihre persönliche Meinung oder Einschätzung zu True-Crime-Konsumenten? 

Ich denke, die Menschen, die True Crime konsumieren, setzen sich aus verschiedenen Personengruppen zusammen und leider gibt es keine Untersuchungsergebnisse, die klar belegen würden, wie viel Prozent der True-Crime-Konsument*innen welche Motive haben. Daher können wir nur von Anekdoten ausgehen, was für die Wissenschaft zu wenig ist. Und deshalb finde ich es auch immer schwierig, wenn journalistisch die Frage gestellt wird, warum scheinbar mehr Frauen als Männer True Crime interessant finden, denn auch hier finde ich die Datenlage etwas dürftig. Bei meinen Veranstaltungen beobachte ich auch, dass es etwas mehr Frauen als Männer im Publikum gibt, wenn ich auch nicht behaupten würde, dass es hauptsächlich Frauenveranstaltungen sind. Leider liegen mir dazu keine konkreten Zahlen vor. Es könnte damit zusammenhängen, dass sich Frauen schlicht mehr für Themen interessieren, die mit dem Menschen zu tun haben und Psychologie ist ein Thema, das sich sehr stark mit der Frage, wie ticken Menschen, auseinandersetzt. Das heißt, möglicherweise ist die ganze True-Crime-Gender Geschichte auch eine Auswirkung dessen, dass Frauen sich tendenziell vielleicht mehr für Fragen des Menschen interessieren und Männer vielleicht mehr für andere Sachverhalte, so stereotypisch, für Maschinen, Daten, sowas in der Art. Leider wissen wir das aber ohne spezifische Forschungsergebnisse eben nicht. 
Ich habe viele True-Crime-Konsument*innen kennengelernt, die in meinen Vorträgen waren - was natürlich auch eine bestimmte Stichprobe von Menschen ist - die häufig gesagt haben, sie wollen verstehen, warum Verbrecher das tun, was sie tun und sie wollen eine Antwort auf die Frage bekommen, „würde ich es mitkriegen, wenn ich jemanden kenne, der eine schlimme Straftat begangen hat?“. Ich glaube, das ist etwas, das ganz viele Leute bewegt, weil im Fernsehen oder auch in Zeitungsberichten, häufig der Satz fällt, „das war ein ganz netter Nachbar und völlig unauffällig“. Natürlich fragen sich Menschen auch, warum machen manche Menschen Dinge, die sich die allermeisten Menschen nicht mal abstrakt vorstellen können. Die so weit weg sind vom eigenen Fühlen und Denken, dass man sich daher die Frage stellt, „wie kann denn ein Mensch etwas unmenschliches tun?“. Wie das Wort „unmenschlich“ schon sagt, steht dann dieses „Etwas“, was er getan hat, außerhalb dessen, was man sich normalerweise vom Menschen vorstellt. Und deshalb ist sicher die Frage, was unterscheidet denn den Menschen, der sich das nicht vorstellen kann, von dem Menschen, der dann etwas unvorstellbares tut, Interessant.

Das sind nur zwei Motive, es gibt aber einige mehr. An dieser Stelle muss ich kurz mit einem Vorurteil aufräumen. Irgendwer hat mal die Annahme in den Raum gestellt, dass Frauen mehr True Crime konsumieren, weil sie Angst haben, Opfer von Straftaten zu werden und sich deswegen über True Crime informieren wollen, um sich zu schützen. Ich habe aber noch nie, weder in Onlinediskussionen noch persönlich, bei Gesprächen im Rahmen meiner Vorträge, jemanden kennen gelernt, der das als Motiv angegeben hätte. Ich vermute also, dass das wohl eher nicht der Faktor ist. Das kann ich zumindest aus den vielen Diskussionen, in denen die Menschen auch teilweise ausführlich ausführen, was sie spannend finden an True Crime, sagen, mir ist diese Antwort noch nie begegnet.


Eine Untergruppe von Leser*innen meiner Bücher und Besucher*innen meiner Vorträge ist mir allerdings besonders aufgefallen: Menschen, die entweder selbst Opfer von Straftaten wurden oder Angehörige von Opfern und / oder Täter*innen sind. Diese Menschen erklären häufig, dass sie spezifisch meine kriminalpsychologischen Inhalte nutzen, um die Persönlichkeit und die Motive der Täter*innen auf einer wissenschaftlichen Ebene nachvollziehen zu können. Viele erklären dann, dass es für sie ein Teil der Verarbeitung ist. 

Welche Vorteile sehen sie persönlich am Wachstum der True-Crime-Szene? 

Ich habe gar nicht den Eindruck, dass das wirklich wächst, sondern eher, dass sich die Medien nur einfach erweitert haben. Wenn ich mal so zurückschaue, zum Beispiel auf den ersten international medienträchtigen Fall, Jack the Ripper, in London, wurde der auch ganz klar von der Presse genutzt, um die Auflage zu vergrößern. Indem man beispielsweise emotionsauslösende Tatortzeichnungen gemacht hat. Bilder reinstellen, die Emotionen wecken, das funktionierte auch schon zu Jack the Rippers Zeiten. Das heißt, das Prinzip ist nicht Neu, und in den vielen Jahren und Jahrzehnten darauf gab es auch immer schon verschiedene Berichte über Straftaten, Bücher und später auch Filme. Ich würde nicht unbedingt meinen, dass das jetzt ein Phänomen unserer Zeit ist. Dadurch dass wir immer mehr zugängliche Medien haben, ist die logische Schlussfolgerung, dass immer das, was durch Medien bereits genutzt wurde, nun von noch mehr Medien genutzt wird, einfach weil es mehr Medien gibt. Natürlich haben es Menschen, die sich dafür interessieren, jetzt viel einfacher Infos zu bekommen, wo man früher vielleicht gucken musste was es für Bücher gibt. Das kenne ich aus meiner Jugend, dass ich mich sehr intensiv informieren musste, wo ich Bücher, Zeitungsartikel und Fernsehberichte über Straftaten finden konnte. Im Unterschied dazu kann man heute einfach, ohne Ende, im Internet Material finden zu verschiedensten Straftaten.

Der denkbar schlechteste Effekt ist, dass Menschen dadurch glauben, die Zeiten, in denen wir jetzt leben, seien irgendwie gefährlicher als früher. Das ist nämlich etwas, das häufig diskutiert wird, seit Medien zunehmend und vielfältig über Straftaten berichten können, die nicht nur im geografischen Nahraum sondern auch in ganz anderen Teilen ihres Landes, ihres Kontinents oder sogar der Welt stattfinden. Man muss sich vorstellen, früher, wenn eine schwere Straftat begangen wurde, dann fand man das in der Regionalpresse, selten aber überregional, landes- oder weltweit. Das heißt, die Menschen haben deutlich seltener von wirklich schlimmen Taten erfahren. Heutzutage sind Taten aus der ganzen Welt jederzeit überall abrufbar und werden auch thematisiert in den Medien, was den falschen Eindruck erzeugt, dass wir in einer gefährlicheren Welt leben würden als früher. Obwohl die Statistiken das Gegenteil belegen, dass nämlich seit Jahrzehnten verschiedene Arten von Gewaltstraftaten und auch Tötungsdelikte zurückgehen. Gerade Tötungsdelikte allgemein, aber auch spezifische Tötungsdelikte an Kindern und Sexualmorde haben in den letzten dreißig Jahren stark abgenommen. Also objektiv war die Welt für Kinder, wenn sie draußen spielten, in den 70ern und 80ern sehr viel gefährlicher als heute. Es sind viel mehr Kinder auch aufgrund von Autounfällen gestorben und die Leute denken, die Kinder lebten heute gefährlicher als damals. Das ist falsch, das liegt wirklich an der Zugänglichkeit der Informationen und daran, dass die Leute das nicht in Relation setzen. Mehr Medienberichte bedeuten nicht, dass sich tatsächlich mehr interessante oder schlimme Geschichten ereignen würden. 

Aber was ist dann das Gute an dem großen Zugang zu solchen Informationen und den Plattformen, die diese Informationen liefern?

Ich glaube, im besten Falle, wenn es denn wirklich so funktioniert, merken die Menschen, die sich damit beschäftigen, dass die Welt komplizierter ist, als sie dachten. Dass, zum Beispiel wenn man sich mit True Crime beschäftigt, man sich auch mit den Entstehungsgeschichten von Verbrechen beschäftigt. Generell wird klar, dass es häufig Risikofaktoren in den Biografien von Täter*innenn gab, die natürlich keine Entschuldigung sind, die aber zumindest die Wahrscheinlichkeit vergrößern, dass jemand sich in eine Richtung entwickeln kann und im ungünstigsten Fall eine schwere Straftat begeht. Dass es tatsächlich nachweisbare Zusammenhänge gibt, die hätten durchaus auch verhindert werden können, wenn man rechtzeitig etwas an der Biografie der Person verändert hätte. Ich bin recht vielen Menschen begegnet, die gesagt haben, dass sie sich durch True Crime auch mit den psychologischen Darstellungen befasst und gemerkt haben, dass die Welt nicht ganz so einfach Schwarz und Weiß ist, wie sie vorher dachten. Das haben mir viele meiner Leser*innen gesagt, weil meine Bücher stark darauf abzielen, zu zeigen, dass die Grenze zwischen Gut und Böse, Täter*in und Opfer, nicht so leicht zu ziehen ist, wie man auf den ersten Blick denken würde. Und wenn die Menschen zu dieser Einsicht kommen und verstehen, dass das Thema doch differenzierter ist, dann ist schon viel gewonnen. 

 Gibt es denn Kollegen oder Bekannte, die ihr großes öffentliches Auftreten kritisch sehen?

Ich vermute, dass es die gibt, aber Menschen neigen dazu, wenn sie jemanden nicht mögen, ihm das typischerweise nicht ins Gesicht zu sagen. Daher gehe ich davon aus, dass ich solche Meinungen nicht direkt zu hören bekomme, weswegen sie mir auch einfach nicht bekannt sind, muss ich ehrlich sagen. Ich muss aber auch sagen, dass ich viel mit Berufskolleg*innen im Austausch bin, weil ich in zwei Institutionen seit vielen Jahren in Teams arbeite, die aus unterschiedlichen Berufsgruppen zusammengesetzt sind und auch in Supervisionen und Fortbildungen bin, zum Beispiel mit Gruppen von Kolleg*innen aus anderen Institutionen meines Arbeitsbereichs. Ich habe in diesen Kontexten eher positive Rückmeldungen bekommen, denn viele sagen, sie hätten jetzt nicht so Lust darauf, diese Aufklärungsarbeit zu leisten, weil man dafür typischerweise auch viel Kritik erntet, wenn man versucht, Straftaten differenziert darzustellen. Deswegen haben viele meiner Kolleg*inne wirklich gesagt, „danke, dass du das machst, wir hätten keine Lust drauf“. (lacht)

Ich bespreche auch vieles, was ich öffentlich mache und schicke auch mal meinen engeren Kolleg*innen, mit denen ich teils schon seit über 10 Jahren zusammen arbeite, Sachen, die ich mache, damit sie mir Rückmeldung geben, und sie haben bisher gesagt, dass sie meine Ausführungen inhaltlich zutreffend finden und gut finden, dass ich versuche, den Leuten beizubringen, dass die Welt etwas komplizierter ist. Ich habe echt Glück mit meinen Arbeitskolleg*innen, die ich menschlich und fachlich sehr schätze und mit denen ich einen hervorragenden Austausch habe. 

Ist ihre öffentliche Präsenz Thema bei ihren Klienten?

Tatsächlich, ab und zu kommt das Thema auf. Also, dass irgendwer dann neu ist und sagt, „Oh, ich kenne Sie aus dem Fernsehen“, aber typischerweise haben die dann ganz andere Issues und wollen über ihr Thema reden. Sehr selten kam es vor, dass jemand gesagt hat, „ja, nicht dass Sie mal meinen Fall darstellen“. Und dann sag ich aber auch ganz klar, Fälle, die bei mir behandelt werden, stelle ich grundsätzlich nicht öffentlich dar. In meinem ersten Buch habe ich einen Fall thematisiert, mit dem ich als Psychologin zu tun hatte, weil es darum ging, welcher Fall mich am meisten geprägt hat. Damals war ich Praktikantin und bin in der JVA über diesen Fall gestolpert, der mich sehr geprägt hat, und trotzdem habe ich relevante Dinge verändert und weggelassen, damit auch dieser Fall nicht identifizierbar war. Ich habe mich nur auf die Merkmale, die wichtig waren, um zu verstehen, warum der mich geprägt hat, konzentriert. Ansonsten nehme ich manchmal kurze Anekdoten aus Therapiegesprächen, ohne dass man die komplette Geschichte des Täters oder ihn selbst erkennen kann. Die Lebensgeschichten von Täter*innenn, mit denen ich arbeite, präsentiere ich nicht in einem öffentlichen Rahmen. Bisher kam es in zwölf Jahren Arbeit zwei Mal vor, dass Täter gefragt haben, ob ich sie dabei inhaltlich unterstützen würde, ihre Lebensgeschichte als Buch zu veröffentlichen. Sie wollten dabei die Erkenntnisse, die sie im Rahmen ihrer Therapie erlangt haben, für andere zugänglich machen, in der Hoffnung, anderen Menschen dadurch Einblicke in die Entstehung von Straftaten und die Funktionsweise von Straftätertherapie zu ermöglichen. Ich habe beiden gesagt, wenn sie das einige Jahre nach Abschluss der Therapie noch wirklich tun wollen, könnte ich sie bei Bedarf unterstützen, das müsste man dann besprechen, wie dies aussehen könnte. Aber zunächst sollen sie sich auf die bewusste Gestaltung ihres Leben nach der Therapie konzentrieren. Nach einigen Jahren, mit etwas Abstand, können sie nochmals reflektieren, ob sie ihre Lebensgeschichte tatsächlich in einem Buchprojekt darstellen  wollen. 

Gab es also niemals einen Vorfall, dass ein Klient deshalb nicht mit ihnen arbeiten wollte? 

Nein, gar nicht, ganz im Gegenteil. Die Kuriosität tritt auf, dass manche Täter*innen mitbekommen, in welchen Institutionen ich arbeite und sich melden und gerne ein Gespräch hätten. Was so natürlich nicht funktioniert, weil es nicht „wünsch dir was“ ist, und man kann sich in der Position nicht seinen Therapeuten aussuchen, schon gar nicht unter so einer Prämisse. Der Wunsch des/der Täter*in spielt also bei der Auswahl des/der Therapeut*in keine relevante Rolle, sondern die Fachteams entscheiden, welche/r für den Fall gut geeignete Therapeut*in, die/der zu diesem Zeitpunkt Kapazitäten frei hat, welche neuen Täter*innen aufnehmen kann. 

Spielen true Crime oder die Kriminalberichterstattung eine Rolle bei der Behandlung von Täter*innen und wie wirkt sich die Berichterstattung auf das Leben nach der Entlassung aus?

Also die Täter*innen, die schwere Straftaten begehen, haben natürlich häufig erlebt, dass über ihre Taten berichtet wurde. Manchmal sind es kleine Berichte in der Lokalpresse, manchmal sind es größere Berichte bei Geschichten, die etwas mehr Aufmerksamkeit generieren. Das Thema kommt immer wieder auf, die meisten unserer Täter wurden von unterschiedlich starken Berichterstattungen erfasst. Ich kann mich an einige Fälle erinnern, die mehr Thema in der Öffentlichkeit waren. Da sagen diejenigen halt, dass sie wissen, dass es schwer werden wird, wenn sie irgendwann entlassen werden und sich ein neues Umfeld aufbauen wollen. Weil man heutzutage google bar ist. Meistens wird bei der Berichterstattung über Straftaten nicht der volle Name genannt, sondern der Vorname, der Anfangsbuchstabe des Nachnamens, das Alter, der Wohnort und der Beruf. Das allein reicht, um die Tat auch im weiteren sozialen Umfeld der Täter*innen bekannt zu machen. Dies nehmen Täter*innen auch sehr bewusst wahr. Einige Täter*innen entscheiden sich unter anderem daher dagegen, in ihren ursprünglichen Wohnort zurückzuziehen. Selbst, wenn sie ihre Familie besuchen, kann dies auch nach Jahren oder Jahrzehnten noch für die Familie unangenehmen Nachbarschaftstratsch auslösen. Ich hatte aber auch mit den eher selteneren Fällen von Tätern zu tun, deren Namen im Rahmen von Berichterstattung vollständig veröffentlicht wurden. Die merken dann beim Versuch der Wiedereingliederung in die Gesellschaft nach Jahrzehnten, wie sehr sich die Welt durch das  Internet verändert hat und dass ihr voller Name mit ihrer Straffälligkeit durch Internetquellen in Verbindung zu bringen ist. Aber selbst bei den Fällen, in denen nicht der volle Name im Internet mit der Tat in Verbindung steht, kommen nach langjähriger Inhaftierung natürlich Fragen beim neuen sozialen Umfeld auf. Es fängt dann schon an mit Sachen wie, einen Arbeitgeber oder eine Wohnung zu finden. Da kann die biographische Frage nach dem Grund einer langjährigen Inhaftierung schon aufkommen und bei wahrheitsgemäßer Beantwortung ist die Tatbeschreibung in einigen Fällen wiederum mit den genannten Informationen teilweise umfassend im Internet auffindbar. Wie ein/e hiervon betroffene/r Täter*in damit umgeht, das ist immer eine Einzelfallentscheidung und kann auch ein relevantes Thema in der Therapie werden. Manche Täter*innen versuchen, juristisch dafür zu sorgen, dass ihre Namen nicht mehr im Internet auffindbar sind. Aber das zu erreichen kann ein sehr mühevoller Prozess sein und manche sagen, „das kostet so viel Zeit, Geld und Energie, und dann ist da eventuell doch ne ausländische Internetseite, die nicht von der deutschen Rechtssprechung betroffen ist, dann muss ich halt jetzt den harten Weg gehen, und wenn mich eine Person googelt, muss ich halt dazu Stellung nehmen oder halt vorher was dazu sagen“ 

Für Täter*innen stellt sich in Therapien auch unabhängig von Medienberichterstattung immer wieder die Frage, wem sie sich wann und mit welchen Worten anvertrauen. Bei potenziellen Partner*innen ist das ganz besonders wichtig. Wir sagen immer, Partnerschaften sollten nur eingegangen werden, wenn potenzielle Partner*innen, möglichst bevor es zu Intimitäten kommt, darüber informiert werden, auch auf die Gefahr hin, dass diese dann sagen, „nein, das ist mir zu viel“. Es wäre gegenüber dem/der potenziellen Partner*in nicht fair, wenn es später offenbart wird. Wir machen die Erfahrung, dass in erstaunlich vielen solcher Fälle die potenziellen Partner*innen sich für die Beziehung entscheiden. Im Rahmen von Straftätertherapien werden auch klärende Partnergespräche angeboten. Manchmal kommt die mediale Konfrontation mit der Vergangenheit aber auch sehr überraschend: Ich habe schon erlebt, dass ein Täter zum Beispiel eines Abends den Fernseher nutzt und eine Verfilmung der eigenen Tat sieht, von der er nichts wusste. Das macht schon was mit den Leuten. Besonders, wenn sie in Therapie sind und sich mit sich und der Tat und ihren eigenen Hintergründen auseinandersetzen, dann kann das schon emotional was auslösen. Auch dies kann dann Thema in der Therapie werden. Also man kann sagen, Medienberichte können je nach Fall ein relevantes Thema bei unserer Arbeit werden. 

Sollten True-Crime-Formate anders mit den Kriminalfällen umgehen? 

Das kann ich so pauschal schwer sagen. Es gibt bei dieser Frage sehr viele Perspektiven, über die man sicher umfassend debattieren könnte: Die inhaltliche Qualität der Berichte, die Art der Informationsvermittlung, die Folgen für alle Beteiligten des Kriminalfalls. Bezogen auf meine Berufserfahrung kann ich sagen: Täter*innen wissen, dass, wenn sie eine oder mehrere schwere Straftaten begangen haben und dies wird öffentlich gemacht und dargestellt, dann ist das naturgemäß etwas, was sie negativ darstellt, schließlich haben sie etwas sehr Negatives getan. Sie wissen auch, dass sie das nicht komplett vermeiden können, weil ab dem Moment, in dem sie eine Tat begehen, müssen sie davon ausgehen, dass darüber auch berichtet wird. Es ist auch grundsätzlich vernünftig, dass es Berichterstattung über Straftaten gibt, denn es gibt immer noch das öffentliche Interesse. Die meisten, mit denen wir über die Berichterstattung in ihrem Fall gesprochen haben, sagen nicht, dass man grundsätzlich nicht hätte berichten sollen. Die Täter, die bei uns landen und auch wirklich an ihren Taten arbeiten, sagen dazu häufig eher sowas wie, „okay, ich habe Scheiße gebaut, das sind jetzt die Folgen, und ich muss jetzt mit den Konsequenzen leben, denn die Berichterstattung über mich ist nichts dagegen, was ich an Scherben hinterlassen habe bei so vielen Menschen.“

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