Journalismus in Zeiten von Corona


Foto: Überspitzte Darstellung von Homeoffice als Journalist für Bewegtbild

Systemrelevante Berufe – mit dieser Bezeichnung arbeiten viele für unser Wohl weiter und kämpfen sich durch den Alltag. Einer dieser Berufe ist der der Journalisten, denn ohne sie würden uns Informationen, Aufklärung und Verständnis fehlen. Doch für Journalisten gibt es keinen Applaus, für Journalisten gibt es keinen Dank. Oft gibt es stattdessen Kritik, Ärger und Unverständnis.
Die Aufgabe von Journalisten ist Informationensvermittlung, Kontrolle der Regierung und Darstellung von Vielfalt in der Gesellschaft. Informationen bekommen wir gerade massenweise, alles über Corona und die Entwicklung der Pandemie in den jeweiligen Ländern. Das politische Geschehen wird genaustens beobachtet, dokumentiert und für die Bevölkerung aufbereitet. Dabei ist wichtig, unabhängig zu bleiben, alle Seiten darzustellen und Aufklärung zu betreiben. Viele Gesetze und Regelungen sind schwer verständlich und die Grundrechte eines jeden scheinen gefährdet zu sein. Daher ist es wichtig, dass der Journalismus diese Entwicklungen kritisch im Blick hat und die Bevölkerung immer auf dem aktuellen Stand hält. Doch wie arbeiten Journalisten und was hat sich für sie geändert?


Krisenjournalismus

Jonas Schreijäg und Gunnar Krupp sind beide freie Journalisten und bekannt durch ihre Arbeit für den NDR, wie dem Format STRG_F auf YouTube. Schreijäg und Krupp beschäftigen sich mit politischen und gesellschaftlich relevanten Themen und beobachten die Corona-Krise.
Doch was bedeutet eine Pandemie für Journalisten ohne Festanstellung? „Es gibt gegensätzliche Tendenzen. Einerseits ist der Journalismus so wichtig wie nie, weil großes Informationsbedürfnis da ist und man auch merkt, dass Menschen viele Medien konsumieren und viel wissen wollen über die Situation. Das heißt, eigentlich bringt das auch eine hohe Auftragslage, aber auf der anderen Seite brechen viele Teile auch weg, das Merken vor allem die Kultur- und Sportjournalisten.“, erzählt Schreijäg. Zum anderen bekäme er mit, wie stark Lokalzeitungen und Regionalzeitungen betroffen seien, da Veranstaltungen abgesagt wurden und Unternehmen aus Kostengründen keine Werbung mehr in Zeitungen schalten könnten oder wollten. Alle müssten jetzt in ihren Unternehmen haushalten.
Sei ein Auftrag da und man möchte sich an die Arbeit machen, kämen nun Schwierigkeiten dazu, die vorher nicht da gewesen seien. „Ganz am Anfang steht erst mal die Umstellung, dass wir uns in der Redaktion nicht mehr so häufig sehen. Wir müssen versuchen, irgendwie über Telefon, Video Absprachen zu kommunizieren. Was okay funktioniert, aber was halt nicht so gut ist, wie sich persönlich zu treffen.“, so Schreijäg. Die Recherche funktioniere von zu Hause aus, auch wenn vor Ort sein besser ist. Doch Journalismus sei nicht nur im Print vertreten, sondern auch digital, zum Beispiel im Bewegtbild, und um das machen zu können, benötige es Vorkehrungen. „Wir drehen halt nur mit größten Sicherheitsvorkehrungen. Das heißt, wenn wir irgendwo hingehen, dann halten wir immer zwei Meter Abstand, den Ton machen wir über eine lange Angel, gehen nur noch mit Masken raus, vermeiden Drehs in kleinen Räumen und Machen immer öfter auch Skype-Interviews.“, so Schreijäg weiter.
Auch Krupp muss auf Skype-Interviews ausweichen, was nicht ganz unproblematisch ist. Er erzählt das nicht jeder die perfekte Internetverbindung hat und gerade im Bewegtbild spiele Vielfalt eine wichtige Rolle, die nun zu kurz komme. Immer dieselbe Location, immer dasselbe Bild - eine Person sitzt vor einem Laptop und spricht mit einer anderen Person. Außerdem sei Vielfalt, nicht nur ein Interview an verschiedenen Orten zu führen, Vielfalt entstehe auch durch unterschiedliche Themen. Möchten Konsumenten etwas über andere Themen hören oder lesen als nur über Corona? „Ich glaube Vielfalt ist schon erwünscht, sie ist nur schwer umzusetzen von uns. Am Anfang musste man den Leuten noch erklären, was das Problem jetzt gerade ist. Die letzten drei Videos (STRG_F) waren alle Corona- Themen und das ist halt langsam genug und das merkt man an den Kommentaren, das merkt man an den Aufrufzahlen und das merke ich auch an mir selbst, dass ich irgendwann auch mal wieder andere Themen gerne hätte.“, erzählt Krupp. Wieso also nicht einfach andere Themen machen? „Es ist halt super schwierig für uns in diesen Zeiten, andere Leute zu nerven mit anderen Themen. Ich mache gerade eine Recherche über Parfüm, die habe ich schon vorher angefangen, über Inhaltsstoffe. Da geht es auch darum, eine Urinprobe einzuschicken und ich habe richtige Hemmungen gehabt, jetzt einem Labor meine Urinprobe zu schicken, weil ich dachte, die haben doch Besseres zu tun. Und es ist nicht nur der Bereich, der Besseres zu tun hat, eigentlich fast jeder Bereich hat gerade Besseres zu tun, als über andere Sachen nachzudenken. Aber vielleicht ist es auch wichtig, um die Leute so ein bisschen aus dem Corona Sumpf wieder rauszuholen.“, so Krupp. Auch Schreijäg findet es persönlich schwierig, etwas getrennt von Corona zu berichten. Corona fließe in alle Bereiche mit ein, selbst in die Flüchtlingskrise. Ein Bericht über die Zustände in Griechenland, getrennt von Corona, scheine unmöglich.

Verschwörungstheorien und Kritik

Corona-Zeit, ist auch die Zeit der Verschwörungstheorien. Diese sollten nicht ignoriert werden, sondern entkräftet, und zwar durch Wissen und die Verbreitung von Wissen. Das ist eine Herausforderung für Journalisten und bleibt nicht ohne Gegenwehr. Viele verstehen nicht, was die Regierung gerade macht und haben Angst um ihre Grundrechte. Es ist gut, nicht alles zu akzeptieren, was beschlossen wird, aber verantwortlich für die Beschlüsse sind nicht die Journalisten. Diese bemühen sich täglich, für Aufklärung zu sorgen, sprechen mit Experten und veröffentlichen ihre Recherchen. Hier zeigt sich deutlich, wie systemrelevant der Journalismus ist. „Es ist enorm wichtig für unsere Demokratie, zu verstehen, was jetzt gerade für Prozesse ablaufen und welche Einschränkungen des öffentlichen Lebens, die ja mit Grundrechtseinschränkungen einhergehen - dass das alles berichtet wird. Auch damit wir einfach dann nachher die [Einschränkungen] wieder zurücknehmen können und unsere Demokratie wieder so vorfinden wie sie vorher war.“, meint Schreijäg. Aber er warnt auch davor, sich als Journalist für zu wichtig zu halten. Denn im Journalismus gehe es nicht um Leben oder Tod, die Sicherheit habe immer Vorrang.
Krupp erzählt das die Bevölkerung aktuell mehr auf Berichterstattung achte als zuvor und möglichst viele verschiedene Medien konsumiere. Ein Fehler, schlechte Formulierungen, könnten da einiges anrichten. Worauf muss jetzt noch mehr geachtet werden? „Ich habe das Gefühl, dass viele Leute gerade jetzt mehr hinterfragen und das gar nicht wahrhaben wollen, dass dieser Lockdown vielleicht gerade das Richtige ist. Man merkt auch, dass sie sich viel durchlesen; früher war das vielleicht eher so, dass sie gesagt haben, ihr macht das schon cool, und jetzt habe ich manchmal das Gefühl, dass die Leute selbst zu ‚Corona-Experten‘ werden. Das sieht man in den Kommentaren dann auch oft, „diese Lockdown Scheiße“, und man muss schon aufpassen, dass man das politische Bild nicht zerrüttet. Man darf sich von solchen Leuten nicht aus dem Konzept bringen lassen, die das nicht wahrhaben wollen. Das ist gerade super schwierig, wenn man solchen Gegenwind bekommt von anderen Leuten, die es besser wissen wollen.“, so Krupp. Gegenwind und Unterstellungen wie, „Sie werden von der Regierung bezahlt“ oder sie würden Schauspieler in ihren Videos engagieren, häufen sich. Eine dieser Unterstellungen tauchte erst kürzlich in den Kommentaren auf. In der Reportage ging es um die Zustände in New York, die Leute kommentierten, dass der interviewte Arzt ein engagierter Schauspieler sei. „Das habe ich mir wirklich zu Herzen genommen und dachte mir, das gibt’s doch nicht.“, so Krupp. Er stellt aber auch klar, dass diese starke Gegenwehr nicht aus der Zuschauerschaft komme, die STRG_F normalerweise habe. Es mischten sich neue Verschwörungstheoretiker unter die Zuschauer und betrieben Bashing. Neben dem Homeoffice und der Beschäftigung mit immer denselben Themen und Gegenstimmen, gebe es auch Gutes, das man aus dieser Zeit mitnehmen könne. Von zu Hause aus könne man einiges bewerkstelligen und auch das selbstständige Arbeiten bekäme eine größere Wichtigkeit. Man stelle fest, dass es nicht nötig sei, sich immer auf die anderen zu verlassen, wenn es auch allein gehe. Die Wertschätzung untereinander im Kollegium spiele trotzdem eine große Rolle - gemeinsam durch die Krise.

Es stimmt, dass es im Journalismus nicht um Leben oder Tod geht, aber es geht um das Informationsbedürfnis jedes Einzelnen und die Kontrolle der Regierung. Eine Pandemie geht auch an Journalisten nicht spurlos vorbei, auch sie versuchen das Beste aus der Sache zu machen und das zu geben, was die Bevölkerung braucht.

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